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Wirtschaft

Finanzkrise: Greenpeace und die Steuer gegen Armut


Finanzkrise: Greenpeace und die Steuer gegen Armut

21.06.2012,
veröffentlicht von
Sigrid Totz

Finanzkrise, Transaktionssteuer, Hunger und Armut - sind das Umweltthemen? Stefan Krug erklärt, warum Greenpeace im Bündnis Steuer gegen Armut dabei ist. Krug ist Leiter der Politischen Vertretung von Greenpeace in Berlin.

Steuer gegen Armut ist ein Bündnis von mittlerweile 92 Organisationen. Seit 2009 fordern sie die Bundesregierung auf, sich für eine Finanztransaktionssteuer stark zu machen. Greenpeace gehört zum Trägerkreis der Kampagne.

Online-Redaktion: Stefan, wie würdest du einem zehnjährigen Kind in einem Satz die Finanztransaktionssteuer erklären?

Stefan Krug: Oha, das wird ein langer Satz. Allein schon das Wort ist ja ein Ungetüm. Vielleicht so: Finanztransaktionssteuer bedeutet, dass Banken und alle Leute, die viel Geld haben, für jedes einzelne Geschäft mit diesem Geld einen winzigen Teil davon an den Staat abgeben müssen. Und da das jeden Tag Millionen von winzigen Geldbeträgen sind, kommt dabei sehr viel Geld zusammen, das man für ärmere Menschen und für den Umweltschutz ausgeben kann. Also doch zwei Sätze.

Online-Redaktion: Du bist für Greenpeace im Bündnis Steuer gegen Armut. Verlässt Greenpeace damit nicht den Bereich des Umweltschutzes?

Stefan Krug: Im Gegenteil. Die Steuer auf Finanzgeschäfte wird seit Jahren diskutiert als mögliches Instrument, um die dringend benötigten Milliarden für Klimaschutz und Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern aufzubringen. Entwicklungsländer haben schlicht nicht das Geld, um eine kohlenstoffarme Wirtschaft mit modernen Technologien aufzubauen und sich zugleich auch noch gegen die Folgen des Klimawandels zu schützen.

Die Industriestaaten haben 2009 in Kopenhagen zugesagt, ihre finanzielle Unterstützung von Klimamaßnahmen in Entwicklungsländern bis 2020 auf 100 Milliarden Dollar zu steigern - pro Jahr. Zugleich stecken alle in mehr oder weniger großen Finanznöten. Deshalb sind Geldquellen wichtig, die verlässlich fließen und dabei die Staatshaushalte nicht zusätzlich belasten. Neben einer Finanzmarktsteuer sollten deshalb auch Abgaben auf den Flug- und Schiffsverkehr rasch eingeführt werden. Diese Finanzierungsfragen sind für den Klima- und Umweltschutz also zentral.

Online-Redaktion: Wo bleibt der ethische Aspekt? Könnte die Steuer nicht dazu führen, dass jede Art von Transaktion akzeptiert wird - sie bringt ja Steuern ein?

Stefan Krug: Genau das muss verhindert werden. Wohin die Spekulation mit Nahrungsmitteln führen kann, haben die Preisexplosionen und Hungerrevolten der vergangenen Jahre ja gezeigt. Mit Essen spielt man nicht - so heißt auch eine Kampagne der Kollegen von Oxfam gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln, die unter anderem ein Verbot von Investmentfonds in Agrarrohstoffmärkten fordert.

Ethisch relevant ist aber auch ein anderer Aspekt. Die Finanzbranche hat mit ihren maßlosen Spekulationen die gesamte Weltwirtschaft ins Wanken gebracht, was nicht nur auf ärmere Länder durchgeschlagen hat, sondern auch künftige Generationen mit einem gigantischen Schuldenberg belastet. Die Finanzbranche muss als Verursacher maximal an den Kosten der Krise beteiligt werden. Da ist eine Finanzmarktsteuer, die bestimmte Spekulationen und den Hochfrequenzhandel unrentabel macht, ein erster Anfang. Vor allem aber muss die Branche viel strikter reguliert werden, und Spekulationen auf Kosten der Allgemeinheit müssen unterbunden werden.

Online-Redaktion: Es heißt, dass schon eine Steuer von 0,05 Prozent Milliardeneinnahmen bringen würde. Wie stellen wir sicher, dass das Geld in die richtigen Kanäle fließt?

Stefan Krug: Indem man die Einnahmen für bestimmte Ziele zweckbindet. Das ist eine politische Entscheidung, da Steuereinnahmen zumeist erst einmal in den Gesamthaushalt eines Landes fließen und das Parlament auf sein Haushaltsrecht pocht. Die Kampagne Steuer gegen Armut fordert, dass je ein Drittel der Einnahmen für Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Haushaltssanierung verwendet werden.

Online-Redaktion: Müsste die Steuer nicht weltweit eingeführt werden, wenn sie etwas bewirken soll?

Stefan Krug: Das ist eine Schutzbehauptung derjenigen, die diese Steuer immer verhindern wollten, so zum Beispiel die FDP. Eine Finanzmarktsteuer kann auch problemlos erst einmal in einer Region eingeführt werden. Neun Staaten der EU, darunter auch Deutschland, scheinen mittlerweile zu diesem Schritt bereit zu sein. Bei den 27 EU-Staaten der EU könnte eine 0,05 Prozent-Steuer auf alle Finanztransaktionen zwischen 100 und 250 Milliarden Euro jährlich einbringen. Die EU-Kommission denkt aber an niedrigere Sätze und einen geringeren Umfang der Steuer und kommt immerhin noch auf 57 Milliarden Euro pro Jahr. Auch wenn das Volumen der neun Pioniere erst einmal darunter liegen wird - es wäre ein wichtiger Anfang. Wenn man in solchen Fragen auf die Zustimmung aller Länder der Erde wartet, wartet man bis in alle Ewigkeit.

Online-Redaktion: Armut, Hunger und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels sind vor allem ein Problem der Entwicklungsländer. Wie kommt das Geld dorthin? Wer setzt die Projekte auf, wer kontrolliert sie?

Stefan Krug: Das ist alles andere als einfach. Entwicklungszusammenarbeit gibt es seit vielen Jahren, und Klimaschutz sowie Armutsbekämpfung spielen eine wichtige Rolle dabei. Aber bei Entwicklungsprojekten läuft auch vieles schief, und viele Gelder werden in den Sand gesetzt oder verschwinden in dunklen Kanälen.

Wichtig ist, Know how und personelle Kapazitäten in den Entwicklungsländern aufzubauen, damit die Menschen selbst vor Ort diese Gelder sinnvoll einsetzen können. Dazu braucht es aber verlässliche Institutionen vor Ort, und es braucht transparente Verfahren und ein Berichtswesen, das Erfolge wie Defizite sichtbar macht. Dafür muss in einem Land eine gewisse Rechtsstaatlichkeit, eine Good Governance vorhanden sein. Es macht keinen Sinn, Länder ohne ausreichende staatliche Strukturen oder mit korrupten Regimen mit Millionen zuzuschütten.

Online-Redaktion: Was muss passieren, damit es jetzt vorangeht?

Stefan Krug: Die EU-Finanzminister könnten schon am kommenden Freitag, dem 22. Juni 2012, einen entscheidenden Schritt gehen, indem sie bei der EU-Kommission beantragen, dass eine Minderheit der EU-Staaten schon einmal vorangehen und eine Finanztransaktionssteuer einführen kann. Wenn die Kommission dem zustimmt, dauert es aber wohl noch bis 2014, bis eine solche Steuer dann auch eingeführt wird.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch!

Öffentliche Diskussion anregen zum Fiskalpakt!

Liebe Freunde,

Was wir im Moment erleben ist nicht mehr "Alle macht geht vom Volke aus" sondern "alle Macht geht vom Gelde aus"

Was ich im Moment in dieser Finanzkrise vermisse ist eine öffentliche Diskussion über unser Geldsystem und unser Bodenrecht.

Es darf kein leistungsloses Einkommen und keine Bodenspekulation mehr geben. Das derzeitige Rechts- und Zinssystem macht Reiche automatisch immer reicher und die aktuellen Rettungsschirme sind nur dazu da die Einlagen zu sichern... Mathematisch ist die Zinsrechnung eine Exponentialfunktion. Derartiges Wachstum schafft auf Dauer keine Volkswirtschaft der Welt. Ich erwarte eigentlich schon länger, dass man öffentlich über Alternativen nachdenkt.

Das Gebührengeld von Silvio Gesell z.B. oder zinslose Local Exchange Trading Systems (let's) können viele Menschen wieder in Arbeit bringen, die im jetzigen Wachstumswahn und Krisenhochzinssystem ausgegrenzt werden...

Literatur dazu:

"Geld ohne Zinsen und Inflation von Margrit Kennedy"

Die Autorin hat das Buch schon länger zum kostenlosen download bei der FU Berlin hinterlegt:

http://userpage.fu-berlin.de/roehrigw/kennedy/

Hier geht es zu ihrer homepage:

http://www.margritkennedy.de/


Bitte weitersagen!

Samuel


Die Gewerkschaft Verdi schreibt dazu:

Fiskalpakt – Nein Danke!

Der geplante Fiskalpakt soll die europäischen Staaten künftig zwingen, ihre Schulden abzubauen. Das gilt für alle, nicht nur die heutigen Krisenländer.
Durch Ausgabenkürzungen – ohne Rücksicht auf Verluste. Die Alternative, endlich die großen Vermögen heranzuziehen, wird systematisch ausgeblendet.
Wozu das führen kann, sehen wir in Griechenland und Spanien: Die Kürzungen treiben die Wirtschaft immer tiefer in die Krise, Arbeitslosigkeit und Armut explodieren. Die Schulden steigen weiter statt zu sinken. Bei Bildung und Gesundheit wird gnadenlos gestrichen. Öffentliches Eigentum wird verscherbelt. Auch uns drohen verschärfte Kürzungen, wenn die nächste Wirtschaftskrise zuschlägt.
Konjunkturprogramme gegen Krisen würden kaum noch möglich sein.
Die Regelungen sind noch strenger als die bereits beschlossene Schuldenbremse. Bund, Länder und Gemeinden müssten auch in guten Zeiten stärker kürzen.
Die Demokratie kommt ebenso unter die Räder. Merkel und Co. nötigen die Staaten zur Zustimmung. Auch veränderte demokratische Mehrheiten könnten den Vertrag nicht mehr kündigen. Deshalb lehnen die Gewerkschaften den Fiskalpakt ab. ver.di fordert die Abgeordneten, im Bundestag auf, mit Nein zu stimmen!

Greenpeace:Erneuerbare Energien kompensieren den Atomausstieg



Greenpeace:

Erneuerbare Energien kompensieren den Atomausstieg


16.02.2012,
veröffentlicht von
Marissa Erbrich

Keine Stromausfälle, keine explodierenden Strompreise und keine zusätzlichen Stromimporte aus Frankreich. Allen Unkenrufen zum Trotz hat Deutschland die erste Etappe des Atomausstiegs gut verkraftet. Besonders erfreulich ist dabei, dass Erneuerbare Energien einen großen Teil der Leistung der acht stillgelegten AKWs ausgeglichen haben.

Zu diesem Urteil kommt der Energiefachmann Thiemo Nagel, der im Auftrag der grünen Bundestagsabgeordneten Bärbel Höhn eine Analyse der Energieversorgung in Deutschland durchgeführt hat. Seine Auswertung basiert auf den Daten der Europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E für die Jahre 2009 bis einschließlich 2011.

Deutschland hat 2011 zwar Strom importiert, aber das war auch in den Jahren davor schon der Fall. Stromimporte, so Nagel in seiner Auswertung, seien kein Zeichen von Knappheit gewesen, sondern folgten rein ökonomischen Gesetzmäßigkeiten. Demnach werde Strom dort produziert, wo er am günstigsten ist. Für Deutschland folgt daraus ein wiederkehrendes Schema, nach dem im Winter exportiert und im Sommer importiert wird.
Deutschland hat auch 2011 einen Überschuss produziert

Zunächst sah es zwar so aus, als ob sich die Befürchtung bestätigt, Deutschland müsse die AKW-Leistung nun durch Importe ausgleichen. Bereits im April begann Deutschland, Strom zu importieren - in einem Monat, der zuvor noch zum Exportzeitraum gehört hatte. Aber im Laufe des Jahres glich sich die Verlaufskurve immer mehr an die letzten beiden Jahre an und bereits im Oktober exportierte Deutschland wieder.

Über das ganze Jahr gerechnet hatte Deutschland mit einem Netto-Export von 6000 Gigawattstunden (GWh) sogar einen Stromüberschuss. Wie groß der Einfluss der ersten zweieinhalb Monate von 2011 auf diese positive Bilanz ist, könne erst mit der 12-Monatsbilanz von März bis März endgültig geklärt werden, so Nagel.

Laut der Auswertung musste nur die Leistung von 1,5 Atomkraftwerken durch Strom aus dem Ausland ausgeglichen werden. 4,5 AKWs wurden dagegen im Inland kompensiert. Zwei AKW, Brunsbüttel und Krümmel, hat Nagel aus dieser Rechnung ausgeklammert, da diese wegen Pannenserien seit 2007 ohnehin fast ständig außer Betrieb waren.
Atomnation Frankreich bekam Strom aus Deutschland

In diesem Zusammenhang ist eine Falschmeldung in ausländischen Medien vor einigen Tagen interessant. So kursierte in Frankreich, Russland und der Slowakei die Meldung, dass Deutschland aufgrund von Engpässen in der Stromversorgung fünf der abgeschalteten AKW wieder in Betrieb genommen habe. Grund für die Ente war vermutlich ein Übersetzungsfehler. Für viele schien diese Nachricht wohl nachvollziehbar, da genau die Situation eingetroffen war, die besonders für Kritiker der AKW-Abschaltung lange ein Argument war. Extreme Kälte, hoher Strombedarf, wenig Sonne und Wind und zudem Engpässe in der Gaslieferung aus Russland - wie soll Deutschland da ohne Atomstrom klarkommen?

Tatsächlich kam Deutschland ausgezeichnet mit dieser Herausforderung klar. Man kann es wohl als Ironie des Schicksals bezeichnen, dass ausgerechnet Frankreich - die Atomnation schlechthin - Strom aus Deutschland importieren musste. 80 Prozent des Bedarfs deckt Frankreich über Atomstrom. Die Bürger wurden in den kritischen Tagen zum Stromsparen aufgefordert und die Strompreise kletterten auf astronomische Höhen.

"Die Abschaltung von acht Atomkraftwerken hat sich nicht nachteilig auf die Versorgungssicherheit ausgewirkt. Deutschland hat die Feuerprobe bestanden", sagt Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace. "Viel schlechter war es um die Atomnation Frankreich bestellt, was für atomkraftfreundliche Köpfe schwer zu schlucken ist. Lieber glauben sie an Probleme in Deutschland und das Wiederanfahren von Atomkraftwerken. Doch es wäre gut, sich an die Fakten zu halten, denn Atomkraft ist verzichtbar."

Zum Thema in www.greenpeace.de

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